Das große Fressen
Nahrungsaufnahme war bei uns Gastronomen natürlich groß geschrieben. Wobei wir auf Qualität oftmals keinen sonderlichen Wert legten. Wer findet schon italienische Pizza vom Inder toll. Der Inder, der nebenher noch mexikanische, chinesische und deutsche Gerichte verkauft. Also irgendwas muß da doch faul sein.
Trotzdem hatten wir praktisch eine Standleitung zum Lieferservice nach Kallenberg. Die haßten uns auch ziemlich oft, denn wenn wir endlich die Entscheidung getroffen hatten, ja wir wollen fettige, pappige, zähe italienische Teigwaren, war es meist schon kurz vor elf, und unsere Turbanfreunde hatten bestimmt schon geputzt und sich auf den Feierabend gefreut.
Trotzdem kamen sie - wenn auch murrend - um halb zwölf noch angeheizt, um uns vor dem Verhungern zu retten.
Brachte ja schließlich Kohle.
Besonders scheußlich fand ich immer Beates Hawaii-Pizza, und das absolute Pizza-Monster war Anett, die es immer schaffte, ein Stück mehr zu verdrücken als wir anderen.
Da konnte einem schon beim Zuschauen schlecht werden.
Schlecht wurde es Reno irgendwie nie. Wenn es bei Andre im Betrieb *Lachs satt* gab, war er sofort dabei. Das waren dann Nudeln mit Lachstranchen, von denen man nachbestellen konnte, soviel man wollte - oder konnte. Reno brachte es an einem Abend auf geschlagene 13 Stück. Was umgerechnet ungefähr 900 Gramm waren. Schon beim Gedanken daran könnte einem leicht übel werden, aber der Herr hat einen Magen wie ne Kuh, der verdaut auch rostige Nägel.
Danach mußten sie ihn jedenfalls mit der Sackkarre aus dem Hotel schieben.
Steve`s Joghurt war bei mir sehr beliebt. Vor allem die Sorte Banane mit diesen Schokodingern, die man dann reinrühren konnte. Im Kühlschrank lagerten meist ein paar Becher davon, nur wenn Steve joghurtartige Gelüste plagten war er irgendwie immer aus. Sorry, Steve.
Falk stand mehr auf die Sorte Kirsche mit Vanille, und das dann aber direkt aus dem 500 Gramm Becher. Auch sehr schön. ; . )
Worauf aber alle abfuhren, war Nudelsalat von Herrn Thelen.
Herr Thelen arbeitete an der nächsten Raststätte. Unsere Jungs hatten auf irgendwann nachts einen Ausflug dorthin gemacht, und Herr Thelen stand damals hinter dem Tresen. Er sah wohl auch ziemlich *lustitsch* aus und quatschte sie aus irgendeinem Grund von der Seite an. Als herauskam, daß alle Anwesenden vom Fach waren, freute er sich riesig, und machte allen eine besonders große Portion Lammsteaks. Seitdem hieß es dann immer * Wir fahren zu Herrn Thelen.*
Wenn es denn mal wieder sein mußte, kam es vor, daß morgens um zwei Uhr irgendwer rief:"Wie wäre es mit Nudelsalat!" , und alle ins Auto stiegen um nach Wunnenstein zu heitzen.
Also mir war der Nudelsalat wurscht, aber ich ging trotzdem mit, schließlich ist es nachts an Raststätten teilweise sehr unterhaltsam, und man kann merkwürdige Gestalten aller Art besichtigen.
Beim Grillen legten wir da schon mehr wert auf Qualität. Da wurden für zehn Leute kiloweise Rinderfilets mariniert (natürlich im Putzeimer, wo sonst!), gut gelagert und dann genüßlich auf den Grill gehauen.
Standardspruch dazu war immer:"Hey Grillmeister! Nur zwei Sekunden von jeder Seite, dat muß noch richtig bluten!"
Meist war vom Fleisch noch soviel übrig, daß wir am nächsten Morgen zum Frühstück den Grill gleich nochmal anwarfen und das Ganze dann bis zum Abend weiterlaufen ließen. Reno übernahm gerne mal die Grillerei, so nach dem Motto "Ich Mann, ich großes Feuer machen!"
Manche Sachen gingen allerdings nicht so gut weg wie Rindfleisch. Irgendwann stellte ich fest, daß in der Ecke zwischen Andres Zimmer und dem Bad ein Metalltopf stand....und stand....und stand....und immer noch stand.
Er bewegte sich nicht einen Millimeter und ich beging nach zwei Wochen den Fehler, den Deckel der darauf lag anzuheben.
Etwas graues, pelziges starrte mich bösartig an.
Aus der Sauce Bolognaise, die ursprünglich darin gewesen war, wuchs eine neue Lebensform, juhu. Ich versiegelte den Topf, bevor mich das Etwas anspringen konnte, und machte mich vom Acker.
Ich weiß bis heute nicht, wer sich todesmutig die Entsorgung des Eimers aufgehalst hat. Muß auf jeden Fall im Schutzanzug passiert sein, sonst hätte keine Überlebenschance bestanden.
Als unser Herr Sander damals seine Ausbildung bestanden hatte und es ihn zurück in den Osten zog, lud Mira ihn zum Abschied zu unserem Stamm-Spanier ein. Bei dem sind wir oft nachts um eins noch eingekehrt um ein Omelette zu futtern und Sangria zu trinken.
Sie bestellten sich eine schöne, fette Paella mit allem was so dazugehört und futterten drauflos.
Irgendwann registrierte Mira eigenartige, knackende Geräusche, die Andre so beim Kauen machte, und fragte nur ganz ungläubig:"Sag mal, ißt du die Scampi mit Schale?????"
"Klar", meinte Herr Sander,"die schmeckt besonders geil und kracht so schön."
Brrrr.
Naja, über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten.
Irgendwann war ich nachts mit Falk unterwegs und auf dem Parkschein der Kronprinzgarage gab es damals noch einen Gutschein von MCDuck über einen Hamburger für 99 Pfennige.
Es war 10 Minuten vor Mitternacht, und um 0.00 Uhr schloßen die damals in der Innenstadt. Falk wollte jetzt aber trotzdem diesen Burger, also stolperten wir in die nächste Filiale.
Der Typ hinter der Kasse sagte:"Gibt nur pommes oder Kirschtasche."
Falk:"Ich habe hier aber einen Gutschein!"
"Gibt nix."
Falk:"Hören Sie, der Gutschein ist gültig und sie schließen erst um Mitternacht. Also bekomme ich einen Hamburger für 99 Pfennige!"
"Nein."
Falk"Dann will ich sofort ihren Chef sprechen!"
Der Typ wieselte um die Ecke und kam nach kurzer Zeit wieder.
"Ok. Ok. Sie bekommen!"
Falk grinste siegesbewußt.
"Man muß bloß auf seinem Recht bestehen!"
Ein anderes mal wollten Andre S. und ich uns was Gutes tun und gingen zu Steve zum Abendessen.
Er setzte uns in seine Station und wir bestellten Rumpsteak mit allerlei Gemüse und anderen Beilagen. Es war die absolut monströseste Portion, die ich je gesehen hatte, und Andre und ich kämpften uns durchs Futter. Wir schafften gerade mal den ersten Teller, und als Steve den Nachservice auftischen wollte, rutschten wir stöhnend von der Bank. Steve zeigte aber nur mit strenger Miene auf den Teller und sagte:"ESST!Ihr habts bestellt!"
Danach brauchten wir erst mal `ne Flasche Calvados.
Uns fiel auf, daß ein neuer Lehrling übertrieben häufig an unserem Tisch vorbeikam, und der Aschenbecher nie mehr als eine Kippe enthielt schon wurde er ausgetauscht. Wir wunderten uns schon etwas und sprachen Steve irgendwann darauf an. Er meinte nur grinsend:"Ich hab ihm gesagt, ihr wärt extrem wichtige Gäste."
Anschließend fuhren wir noch ins Häusle, wo Falk mit seinem Kumpel saß.
Kaum waren wir da, brachen die beiden auf und ich sagte ganz bedauernd:"Ach Falk, jetzt komme ich extra wegen dir hierher, und du willst schon gehen!"
Worauf Andre beleidigt schnaubte und die Türe zum Flur zuknallte.
Nachdem Falk weg war, teilte Andre S. mir mit, Falk sei jetzt mit Carmen zusammen.
Ich wunderte mich ein wenig und Andre S. sagte nur:"Das hält keinen Tag länger als Heiligabend!"
Was ungefähr fünf Wochen später gewesen wäre.
Er behielt fast recht, verschätzte sich um genau einen Tag.
An einem anderen Tag rief Falk an und fragte, ob wir nicht essen gehen wollten, Steve hätte angefragt, in seiner Station seien noch Plätze frei.
Wir fuhren also frohgemut ins Hotel, wurden hochvornehm von Steve in Empang genommen und plaziert.
Die Portionen waren üppig wie immer, ich weiß bis heute nicht, wie wir es auf 3 Gänge gebracht haben, das ist eigentlich unschaffbar.
Neben uns saß ein älteres Ehepaar, so um die 50, die uns dauernd beobachteten und wohl dachten *aha, junges Pärchen beim romantischen Dinner* oder etwas in der Art.
Punkt 22.00 Uhr kamen dann Steve und Herr Schlichterle schnurstracks mit ihrem Personalessen an unseren Tisch marschiert und setzten sich flugs zu uns.
Dem Ehepaar fielen fast die Kiefer auf die Tischplatte.
So eine Frechheit! Das Personal setzte sich hier zu den Gästen! Was war das denn für ein Laden!
Irgendwann kapierten sie aber wohl, daß wir uns kannten und beschäftigten sich mit etwas anderem.