Schnee, Schnaps & Ski

Im Herbst 1997 kam irgendwer auf die glorreiche Idee, mit der kompletten Mannschaft Skifahren zu gehen.
Aus Kostengründen kam eigentlich nur Tschechien in Frage, und irgendwer hatte da wohl auch schon schöne Erfahrungen gemacht. Also buchten wir Übernachtung mit Frühstück in den Spindler Mühlen. Es sollte abends um elf losgehen, und wir trafen uns davor im Häusle. Reno trank erst mal ein Bier, um sich anschließend gut gestärkt hinters Steuer zu setzen. Wir hatten noch nicht mal den Ort verlassen, als Renos Audi schon streikte und wir an der Tanke Rast machten. Der Fehler war schnell behoben, und es ging weiter. Bis zum ersten Parkplatz mit WC. Wo Reno erst mal sein getanktes Bier wieder ablud und Helge appetitliche Bilder der Pissoirs machte. Reno dann neues Bier nachschüttete, und am nächsten Parkplatz wieder ablud.
Und das ganze die nächtsten Stunden an jedem Rastplatz wiederholte.

In Dresden kamen noch Andres Schwester und die Ilse dazu, und im Konvoi ging es weiter, bis wir nach Stunden endlich am Bestimmungsort ankamen. Wo wir schon vor dem nächsten Problem standen, denn unser Freund Reno war mit Sommerreifen unterwegs, hatte keine Schneeketten dabei und unsere Pension lag oben am Steilhang, wo es über eine vereiste Fahrrinne hochging. Nur mit Anlauf und viel Glück schaffte er es, die Karre auf den Pensionsparkplatz zu fahren. Und wir hatten auch nicht vor, das Teil die nächsten Tage auch nur einen Zentimeter zu bewegen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen zogen wir zur Skipiste. Die Brettlosen organisierten sich erst mal ein paar Skier an der Talstation. Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen gehabt, Skiurlaub zu machen, und schnallte mir frohgemut die langen Latten unter die Füße.
Dann stolperte ich hinter den anderen her zum Lift. Holla, war gar nicht so einfach, die Füße nebeneinander zu halten. Gott sei Dank war es kein Schlepplift, sonst wäre ich wohl nie da oben angekommen. Irgendwie schaffte ich es, aus dem Lift raus auf die Piste zu eiern, und da stand ich dann. Blaue Piste. Noch nie irgendwo runtergefahren. Toll.
Dank dem Nebel konnte ich nur fünfzig Meter weit sehen, sonst wäre ich wahrscheinlich sofort wieder umgedreht. Mira blieb bei mir, während die anderen sich halsbrecherisch den Hang hinunter stürzten. Mit viel Geduld erklärte sie mir, was zu tun war, streckenweise gings ja dann auch ganz gut, wenn auch langsam. Nur hatte der linke Ski die Angewohnheit sich von meinem Stiefel zu lösen, wenn ich eine Rechtskurve in Angriff nahm. Dann konnte ich erst mal hinter ihm herhechten und ihn wieder anschnallen, was ziemlich zeitaufwendig war. Irgendwann kamen wir dann an ein Steilstück, und ich stand bloß da, starrte den Berg runter und weigerte mich, auch nur einen Zentimeter weiter zu fahren.


Heldenhaft schickte ich Mira fort.
"Fahr schon! Ich komme alleine klar! Kümmere dich nicht um mich!! Und grüße die anderen!!"
Sie wollte nicht, aber ich stand stur da und bewegte mich nicht, da gab sie auf und fuhr davon.
Aufatmend schnallte ich die doofen Bretter ab, legte sie mir über die Schulter und rutschte den Hang auf dem Hosenboden nach unten.
Als es wieder flacher wurde, fuhr ich doch tatsächlich die letzten 200 Meter noch im *Schuß*. Aber damit war meine Ski-Karriere beendet. Am nächsten Morgen hatte ich einen derartigen Muskelkater, ich kam nicht mal aus dem Bett. Ich mußte mich auf den Bauch drehen und herausfallen lassen, um anschließend ins Bad zu kriechen. Die Skier gab ich sofort zurück. Vielleicht wäre ein Anfängerkurs am Idiotenhügel besser für mich gewesen, aber jetzt ist es zu spät, mich kriegt keiner mehr auf die Bretter. Ich machte den Rest der Woche lieber Après-Ski an der Talstation mit vielen Bechern Glühwein, während die anderen immer wieder bei mir vorbeikamen um sich ebenfalls etwas aufzuwärmen.Besonders Becherowska war zum Aufwärmen oder auch nach dem Essen beliebt, obwohl der ja nun wirklich echt absolut beschissen schmeckt. Aber was soll`s, die Hauptsache ist doch, es dröhnt.

Mit den Kochkünsten unseres Wirtes Jan war es auch nicht weit her. Einen Abend überraschte er uns mit der aufregenden Aussage:"Morgen Frühstück es gibt Backen Igl!!"
Auf die Nachfrage, was das sei, antwortete er immer nur grinsend:"Backen Igl. Wirscht du sähen morgen früh."
Der wollte doch wohl nicht ernsthaft einen Igel backen! Oder gab es Backenigel?Was auch immer das für ein Tier sein sollte. Keiner hatte einen Plan, welche Kuriosität Jan uns da auftischen wollte.Am nächsten Morgen stellte sich heraus, daß das nur eine olle Bratwurst war, die er so fein kreuzweise eingeschnitten hatte, daß die Wurst quasi wie ein explodierter Igel aussah. Ganz großes Tennis!
Auch seine *Dicke Suppe* oder *Briesuppe* zum Abendessen fand große Fans in unserer Runde. Bis wir endlich mal kapiert hatten, daß Briesuppe keinesfalls aus Käse war, sondern einfach nur Brühe, war schon die halbe Woche herum.
Wenigstens kostete sie nichts extra, wie so vieles in der Pension Raj. Bei der Anreise und anschließenden Führung bekamen wir gleich mitgeteilt:" Bei Frühstück du willscht Milch, goße Tasse, kleine Tasse, koscht extra. Willsch du Milch zum Kaffee koscht extra. Große Tasse Kaffee auch koscht extra. Wenn Tee große Tasse, koscht extra, auch Schokolade extra!!"
Sein Geiz ging soweit, daß er das bereits benutzte Wasser aus dem Whirl-Pool von einem Paar an das nächste weiterverkaufen wollte. Weil das ja Strom und Wasser kostet, die Wanne nochmal zu befüllen.
Dabei war Whirl-Pool-Benutzung auch nicht inklusive, sondern *EXTRA*!
Als er uns dann fragte, ob die Issi in Atlanta bei den olympischen Spielen gewesen wäre - sie hatte da so ein T-Shirt auf dem etwas in der Art stand - bestätigten wir ihm nur zu gerne, sie wäre bei den Volleyball-Damen mit am Start gewesen.
Was er seinen anderen Gästen begeistert weitererzählte. Das er nicht noch ein Autogramm wolte war alles.
Mira fand das Whirl-Pool-Geplansche nicht so prickelnd, denn gerade als im *Wellnes-Bereich* die Wanne voll lief, stand sie frisch eingeseift unter der Dusche, und es kam nur noch eiskaltes Wasser aus dem Hahn. Sie heulte vor Wut, und Andres Schwester kam vom unteren Stockwerk an ihre Zimmertüre und erkundigte sich besorgt, was denn los sei. Man konnte sie wohl bis unten hören.
Wer duschen wollte, mußte sich sowieso eine Zeit vor 17.00 Uhr aussuchen, denn das war wohl der Zeitpunkt, an dem das ganze Dorf ähnliche Absichten hatte, und so gab es auch bei den anderen immer wieder eine unfreiwillige Kneipkur. Bis das Wasser dann wieder warm war, verging gerne mal der halbe Abend.
Am letzten Abend hatte Jan dann die Nase voll von uns, spätestens dann, als wir morgens um halb zwei an seiner Wohnungstüre klopften und noch mehr Sekt haben wollten. Seine anderen Gäste waren da wohl nicht so anspruchsvoll. Die schliefen um diese Uhrzeit gewöhnlich schon tief und fest, und stellten keinerlei Ansprüche mehr.

Über Nacht mußte es natürlich wieder anfangen zu schneien, und bevor wir die Autos beladen konnten, war erst mal schippen angesagt.
Als die Autos dann ausgebuddelt waren, rutschten wir den Hang runter und machten uns auf den Heimweg.
Bis zum nächsten Jahr. Da kamen wir nämlich wieder.
Aber wir verzichteten auf Jan und seine Pension Raj, und buchten ein richtiges Hotel.

Das Alpski war unsere Wahl, das kannten wir schon von unseren abendlichen Essensausflügen.
Ich hatte das *Vergnügen* mit Falk ein Zimmer zu teilen, und als wir unsere Bude besichtigten, kriegte Falk erst mal einen Anfall.
Das Badezimmer war dermaßen eng, man mußte sich quasi um die Tür herumschlängeln wenn man hinein wollte, und wenn man dann drin war und auf der Toilette saß, zog man sich Spreisel in die Knie, weil man an der Holztüre langscheuerte. Super.
Falk ging erst mal reklamieren, und wir bekamen ein anderes Zimmer zugewiesen.
Da ich ja nach meinen ersten Erfahrungen nicht mehr Skifahren wollte, verbrachte ich den Morgen meist mit schlafen, weil die Nacht immer relativ kurz ausfiel. Erstens gingen wir recht spät in die Falle, und zweitens schnarchte unser lieber Falk dermaßen, daß ich kein Auge zutun konnte. Und wenn ich es in der Früh endlich geschafft hatte, sanft einzuschlumern, riß er mich mit seinem allmorgendlichen Hechtsprung aus dem Bett, dem Zuknallen der Badezimmertür, dem hoch*klappen* des Toilettendeckels und anderen geräuschintensiven Tätigkeiten bestimmt wieder aus dem Schlaf.
Meist ging er dann schon mal vor in den Frühstücksraum, während ich versuchte, richtig wach zu werden. Dann zog ich irgendetwas an und schlurfte auch nach unten. Als ich an einem Morgen noch meine *Schlafsocken* anhatte, erntete ich Hohn und Gelächter, nur weil die Socken (selbstgestrickt von meiner Oma) grau-pink geringelt waren. Keine Achtung vor Handarbeit, diese Kulturbanausen!


Schnee lag in diesem Jahr nicht sonderlich viel, darum beschloß man, einen Tag ein Stück weiter zu fahren. Mit zwei Autos kurvten wir eine Stunde in der Gegend herum, bis wir ein Gebiet mit mehr Schnee fanden. Zur Vorsorge machten wir Treffpunkt 16.00 Uhr an den Autos aus und marschierten los. Ich hatte eigentlich vor mit nach oben zu fahren, aber leider gab es dort nur Schlepplifte, und so zogen die anderen los. Ich machte es mir an der Talstation gemütlich und hatte eigentlich vor, mit jedem Ankommenden ein Gläschen zu trinken, aber irgendwie kam und kam und kam kein einziger wieder unten an.
Nach einer Stunde hatte ich die Nase voll und latschte zu den Autos zurück, wo ich in weiser Voraussicht einen Krimi zwischengelagert hatte. Den schnappte ich mir und setzte mich in die nächste Pizzeria, wo ich dann dreieinhalb Stunden saß, Glühwein trank, Pizza futterte und mich durch den neuesten Fall von Inspektor Linley schmökerte. Die Buchstaben im Buch reichten grad so bis es Zeit war, zu den Autos zurückzukehren.
Zur Entschuldigung kam dann nur, es hätte da noch einen Lift nach noch weiter oben gegeben, und sie wären halt nie bis ganz nach unten gefahren. Danke schön. Hätt ich auch im Bett bleiben können.
Abends spielten wir dann mal wieder Stadt-Land-Fluß, wo es aber auch Unstimmigkeiten über die Richtigkeit der Angaben gab. Stefan beharrte darauf, bei Land DDR a. D. eintragen zu dürfen, Helge meinte, Magenbrot sei eine Pflanze, und so wurde mehr diskuttiert als gespielt.
Wir saßen also so herum und fragten unsere Bedienung irgendwann, ob sie denn morgen wieder Frühdienst hätte. Sie bejahte das ganze und irgendein Dödel meinte dann fröhlich, da könnten wir ja dann heute besonders lange sitzenbleiben.
Als Dank fürs lange Sitzenbleiben kam Stefan am nächsten Morgen ins Restaurnat gestolperte und jaulte:"Ich bin blind, blind! Ich brauch erst mal `n Bier damit ich wieder was sehe!"
Er konsumierte dann zum Frühstück Bier mit Hörnchen und anschließend ging es ihm wieder halbwegs gut.

In einem der darauffolgenden Jahre, in denen ich aber nicht mehr an den Ausflügen teilnahm, waren die Herren grad auch mal wieder etwas gut angeheitert. Stefan überreichte Steve einen Kaktus, der schlug danach und diese widerlichen weißen Härchen, die manche Kakteenarten so haben, steckten in seiner Handfläche. Die nächsten 4 Wochen. Und er hatte viel Spaß mit ihnen.

Die Sauna in einem anderen Hotel erfreuten sich großer Beliebtheit. Die Herren wärmten sich dort nach ihren Abfahrten gerne mal auf. Der Latschenkiefergeruch war bei ihnen allerding nicht sonderlich beliebt, und in einem Anfall von Irrsinn benutzten sie dann Jägermeister für den nächsten Aufguss. Das ganze Hotel stank anschließend danach.